Über den Umgang mit politischen Gegnern

Mir platzt gerade wieder der Kragen, wie sich bei Google+ die beiden Seiten der Diskussion polemisch beharken, ohne auch nur in die Nähe eines gegenseitigen Verständnisses zu kommen.

Liebe Urheberrechtsgegner,
bitte denkt stets daran, dass es den Autoren, Musikern, Verlagen, etcpp. um die Wurst geht. Wenn Ihr sagt „Urheberrecht muss komplett weg!!11einself“, dann stehen die erstmal gefühlt vor dem Nichts. Jaja, da gibt es zig Möglichkeiten doch Geld zu verdienen, und die sollen sich mal nicht so haben, sagt Ihr jetzt. Aber diese Möglichkeiten haben die noch nicht ausprobiert. Das ist terra incognita für die meisten Leute. Und dementsprechend geht es für sie um nichts weniger als deren Existenz.

Und davor haben sie Angst. Vollkommen berechtigt. Denn wenn Du ein Lied herunterlädst, dass Du sonst nicht gekauft hättest, dann hat der Musiker eigentlich keinen Verlust — aber was, wenn das alle machen? „Machen sie nicht!“ sagst Du jetzt. „Aber was wenn doch?“ fragt sich der Musiker. Und hat Angst. Und wer Angst hat, mit dem kann man kaum noch rational verhandeln. Also, seid nett zu ihnen, nutzt keine Kampfbegriffe wie „Mafia“, „Parasit“ oder ähnlichen Kram. Wir möchten, dass all diese Leute irgendwann auch auf unserer Seite stehen, und das bekommen wir nicht hin, wenn wir sie beschimpfen.

Liebe Urheberrechtsinhaber und ‑verwerter,
wir wollen Euch nichts böses. Wirklich nicht. Ich mag Filme, Bücher und Musik, und ich gebe gerne Geld dafür aus, damit ich mehr davon bekomme.

Um Grunde geht es bei der ganzen Sache nur um eines: Das verlustfreie Kopieren und quasi kostenlose Verbreiten von Informationen wird nicht weggehen. Egal ob legal oder illegal. Da ist (traurigerweise) auch bei der Masse der Leute kaum Unrechtsbewusstsein. Aus deren Sicht verursachen sie nämlich minimalen Schaden, wenn überhaupt. Schließlich hätten sie ja „die CD oder den Film gar nicht gekauft“, sagen sie. Und lügen wahrscheinlich nicht mal.

Aber ich verstehe Eure Angst. Denn in Summe sieht das ganz bedrohlich aus. Aber wenn sich jemand nicht im Unrecht sieht, und man ihn dafür beschimpft und überwacht und mit drakonischen Strafen überzieht oder auch nur bedroht, die für den Bestraften in keinstem Verhältnis zu dem verursachten Schaden stehen, dann werdet Ihr auch keine Sympathien gewinnen.

Nochmal: Das mit dem Kopieren, das geht nicht weg. Der einziger Weg, das wegzubekommen ist über eine vollständige Kontrolle aller Kommunikationswege und aller Computer. Glaubt mir das jetzt einfach mal, das geht nicht, ohne dass wir einen kolossalen Kollateralschaden hätten. Und wenn wir bei der Überwachung nicht so weit gehen, dann sind die Lücken für die Freunde des freien Kopierens mindestens so groß wie Scheunentore, und nichts ist gewonnen.

Also muss eine Lösung her. Eine Lösung, bei der Leute frei kopieren, ohne dass dabei massenweise Gesetze folgenlos gebrochen werden — denn Gesetze, die keiner befolgt und deren Bruch niemand ahndet unterhöhlen das Staatswesen. (Und das konsequente Ahnden dieser Gesetze geht, wie ich eben ausführte, geradewegs dahin, wo wir nicht hinwollen.)

Die Piratenpartei hat, meines Wissens als erste Partei überhaupt, angefangen dazu pragmatische Lösungen zu entwickeln. Klar, diese Lösungen sehen ziemlich erschreckend aus Eurer Sicht aus. Sind sie wohl auch. Aber: Jetzt dafür den Boten der Nachricht zu beschimpfen ist nicht hilfreich. Helft uns doch lieber, eine bessere Lösung zu entwickeln. Oder redet mit irgendeiner anderen Partei Eures Vertrauens, und entwickelt mit der eine bessere Lösung.

Nur behaltet eines dabei im Kopf: Das Kopieren geht nicht weg, es sei denn Ihr errichtet eine lückenlose Überwachungsinfrastruktur. Und wenn das Eure Lösung ist, dann muss ich Euch doch die Freundschaft kündigen.

PS: Es gibt da noch einen Nebenkriegsschauplatz. Die Sache mit dem Remix, Mashup, Coverversion, Zitat, Bearbeitung, wie-auch-immer. Da geht es darum, dass sich weite Teile unserer Kultur eben mit solchen Dingen mehr oder weniger beschäftigt, und wir dafür einen sinnvollen rechtlichen Rahmen finden müssen. Das ist an sich auch ein weites und schwieriges Feld, aber auch ein anderes als die Sache mit dem Kopieren.

Reicht’s jetzt?

Marina Weisband rantet ein wenig und fordert alle Piraten auf, eine Distanzierung zu unterzeichnen:

Ich fordere dazu auf, dass jeder Pirat sich deutlich, ohne Relativierung, distanziert von
— Rassismus
— Nationalsozialismus
— Geschichtsrevisionismus
— Antisemitismus
— Islamophobie
— Homophobie
— Sexismus
— und jedem weiteren Weltbild, das Menschengruppen ausgrenzt oder verachtet, wegen Dingen, für die sie nichts können.

Hmpf.

Warum „Hmpf“ fragt Ihr? Da könnte ich doch gar nichts gegen haben. Bin ich etwa auch so ein elender Relativierer? Nein bin ich nicht. Ich spreche mich gerne, aus Überzeugung und mit vollem Herzen gegen all die genannten Dinge aus.  Allerdings bin ich es gründlich satt, dass man anscheinend ohne permanente und laute und möglichst markige Distanzierung ständig latent in irgendeine Ecke gestellt wird.

Ehrlich, das nervt hochgradig und ist in keinster Weise zielführend. Das ist auch der Grund, warum ich, trotz meiner Hochachtung vor dem Engagement und dem Mut der Antifa-Bewegung, mit dieser nichts anfangen kann.

Und jetzt konstruktiv: Wir führen bei der Mitgliederaufnahme keinen Gesinnungstest durch. Und ich hoffe, wir werden das auch nie tun. Ebenso hoffe ich, dass unsere Partei kein Mobbing duldet, und Leute nicht einfach rauskrakeelt, nur weil die mal „was dummes“ sagen oder gesagt haben.

Mini URL-Sturm in Sachen Urheberrecht

http://opalkatze.wordpress.com/2012/04/17/urheber-recht-aber-richtig/ Vera Bunse erklärt ein paar unterschiedliche Begriffe und ruft zur Ordnung

https://plus.google.com/u/0/102784651730703333089/posts/Jon8AaP7bsS Andreas Eschbach erklärt was Verlage machen, und welche Dinge aus seiner Sicht da in die falsche Richtung laufen.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/gruenen-politikerin-zum-urheberrecht-die-piraten-verstehen-nicht-es-geht-hier-um-menschenrechte-11719715.html Agnes Krumwiede von den Grünen erzählt, warum das Urheberrecht an sich wichtig ist, und legt dann komplett überflüssiges und die FAZ suggeriert über die Überschrift, dass es Piratenbashing sei (was das abgedruckte Interview überhaupt nicht hergibt).

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