Piraten und Trolle

Einige haben es ja über meine Twitter/Facebook/MeinVZ – Updates mitbekommen: Ich habe mich letzte Woche von der Mailingliste der Hamburger Piraten austragen lassen. Das soll nicht bedeuten, dass ich die Ziele und Ideen der Piratenpartei dumm finde, mitnichten. Aber ich habe momentan einfach nicht die Nerven, mich mit dem sehr harschen, polemischen und immer wieder persönlich beleidigend werdenden Tonfall auf der Mailingliste auseinanderzusetzen.

Hin und wieder habe ich versucht, beruhigend auf die Leute dort einzuwirken, aber da regelmäßig neue Mitglieder dazukommen und dazu auch einige lernresistente Altmitglieder vorhanden sind, ist das eine Sisyphusarbeit.

Marcel-André setzte sich ja mit der Trollerei unter den Piraten(-sympathisanten) auseinander. Dabei verweist er korrekterweise auf den Piratenkodex, den es mittlerweile in einigen Versionen gibt. Und was soll ich sagen? Nicht eine dieser Versionen beinhaltet ein “sei höflich”, “beachte die Netiquette”, “werde nicht persönlich” oder ähnliches.

Das mag Betriebsblindheit sein, oder tatsächlich ein Auswuchs der “Piratenkultur”, ich weiß es nicht. Ich weiß allerdings, dass, zumindest auf der Hamburger Mailingliste, rudimentär auf der Mailingliste der AG Urheberrecht und den Berichten zufolge auch auf der bundesweiten “Aktive” Mailingliste der Ton sehr ruppig ist. Alle Ideen und Vorschläge die nicht sofort konsensfähig sind finden immer sehr laute und heftige Gegenstimmen. Ich kann mir ehrlicherweise nicht vorstellen, dass unter solchen Bedingungen irgendeine erfolgreiche politische Arbeit möglich ist.

(Disclaimer: Die AG Urheberrecht Mailingliste ist im Vergleich sehr zivilisiert. Bislang besann sich noch jeder da, sogar Entschuldigungsformulierungen wurden gesehen. Ebenso gibt es zweifelsohne auch auf den anderen Mailinglisten kompetente und freundliche Menschen. Aber leider setzen diese dort nicht den Ton.)

Die Piratenpartei hat hier ein grundlegendes Problem: Es wird gleichzeitig auf absoluter Meinungsfreiheit, kompletter Basisdemokratie, persönliche Freiheit und uneingeschränkter Privatsphäre bei gleichzeitigem 100prozentigen Transparenzanspruch bestanden. Schon alleine diese Ziele sind zueinander inkompatibel, und wenn man gleichzeitig gesittete produktive politische Diskussionen führen will, dann geht das einfach nicht.

Jede Diskussion benötigt ab einer gewissen Anzahl Teilnehmer einen Moderator. Transparenz verlangt eben auch festzustellen, wer da gerade redet, und auch zu wissen zu wem man da spricht. Freiheit hört bekanntlich da auf, wo andere in ihrer Freiheit begrenzt werden, aber welche Grenze ist wichtiger? Und wie steht die Piratenpartei zu den Ungleichheiten zwischen deutschem und internationalem Recht? Wie sozial soll ein Sozialsystem sein, was ist Subvention, was ist gerechter Ausgleich?

Wir Piraten haben so riesig viele Grundsatzfragen offen, das glaubt man gar nicht. Das Problem ist nicht, dass die Piraten sich formal auf einen Themenkreis beschränken wollen, das Problem ist, dass dieser Themenkreis so weite Kreise zieht, darüber sind sich nicht einmal die wenigsten Piraten bewusst.

quovadispp Und weil zwar jeder Pirat diese Grundsatzfragen zwar für sich “irgendwie” einsortiert, dies aber nie mit anderen Piraten abgeglichen hat, wird es langsam wirklich schwierig. Die Piratenpartei hat viele tatsächliche und selbsternannte “Querdenker” angezogen. Das ist nicht schlecht, aber leider sind Querdenker eben häufig auch besonders schlechte Kommunikatoren (sonst wären ihre Ansichten ja schon längst Mainstream).

Ich denke, die Piratenpartei braucht einen Ideologieparteitag. Eine Veranstaltung in der grundlegende Dinge festgeklopft werden. Es kann durchaus sein, dass danach die Hälfte der Mitglieder ihren Austritt erklärt, vielleicht gehöre ich da sogar dazu. Aber in der jetzigen Form Schwammigkeit sehe ich keine Zukunft, und schließe mich (wenn auch aus anderen Gründen) eher dem Pantoffelpunk und seiner ruhenden Mitgliedschaft an.

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