Tauschbörsentrouble

Johnny beim Spreeblick regt sich mal wieder auf. Diesmal über den fehlenden Long Tail. Er kann einfach nirgendwo im Netz diesen alten indischen Filmschinken finden, oder fein gepflegte digitalisierte Vinyl-Sammlungen.

Und er hat Recht: Bei den gängigen Tauschbörsen findet sich nur Mainstream-Mist. Immer die gleichen ausgewählten Titel in der Rotation, genau wie beim Programmradio. „Die besten Hits der…“ — Ihr wisst was ich meine.

Aktuelles, klar das findet sich. Aber sobald es etwas älter oder gar exotischer wird — Fehlanzeige.

Dabei sollte man doch denken, dass so etwas in Zeiten (fast) grenzenlosen Plattenplatzes, großzügiger Bandbreiten und der sprichwörtlichen Sammelwut mehrerer Generationen von Computerfreunden mit teilweisen doch arg obskuren Geschmäckern doch gar kein Problem sein sollte.

Doch, ist es. Ich hab letztens versucht „American Beauty“ von den Grateful Dead zu bekommen. Nope, nix zu machen. Und Grateful Dead sind ja nun wirklich nicht soo exotisch, oder?

Allerdings erinnere ich mich an die Frühzeiten von DSL, Gnutella, eDonkey und Napster: Mein Onkel war zu Besuch, und ich hab mir von ihm haufenweise Musiktitel aus seiner Jugend an den Kopf werfen lassen. Binnen weniger Tassen Kaffee waren die jeweiligen Stücke auf meiner Festplatte. Einfach so. Ich weiß nicht, ob ich die heute noch so schnell finden würde.

Man fragt sich: Wo ist all der Kram geblieben? Ich stelle jetzt einfach mal die freche These auf, dass Die Musikindustrie [TM] den Kampf da gewonnen hat, wo sie ihn hauptsächlich ausfechten wollte: Beim Gelegenheitsanwender. All die Leute denen es tatsächlich weniger um die Technologie, sondern viel mehr um die Inhalte ging.

All die Leute, die liebevoll gehegte Sammlungen haben, die sich wirklich für exotischere Themen interessieren. Diese Leute haben aber kein Interesse an der Tauschtechnik, wollen sich nicht mit Firewalls, Protokollen, Sicherheitswarnungen, regelmäßigen Bugfixes, und all dem anderen Technikschmonsens befassen.

Diese Leute haben damals von ihrem Sohn, Neffen oder Enkelin erzählt bekommen, dass man seine Musik digitalisieren, und das Ergebnis dann mit der ganzen Welt tauschen kann. Sie waren begeistert von den Möglichkeiten, freuten sich wie die Schneekönige wenn sich noch jemand für diese seltene Ella Fitzgerald Aufnahme begeisterte und sie herunterlud.

Lasst uns nicht vergessen, Napster war auch ein soziales Stück Software. Man konnte sehen was der Tauschpartner noch so hatte oder Nachrichten austauschen.

Und dann begannen die Rechtsstreitigkeiten. Abmahnungen wurden verschickt, die Presse vermeldete dass das alles furchtbar rechtlich umstritten sei, dass man sich plötzlich mit riesigen Geldforderungen konfrontiert sehen könne, vielleicht sogar mit einem Bein im Knast stehen würde.

Und die Sammler, Musikenthusiasten, Rentner, Mütter und andere Laien zogen sich erschreckt zurück. Was ein wunderbarer Kulturaustausch sein konnte wurde wieder was es vorher war: Ein Tummelplatz für Hacker, Cracker und Jugendlichen die schon immer gerne Technik nutzten. Leider zählt in diesem Umfeld der Erhalt eher wenig.

Versteht mich nicht falsch: Sobald etwas aktiv weggenommen wird, steht das Netz mit einem Aufschrei auf, und trotzt dem Bösewicht der hier eine Zensur ausüben will.

Doch wenn sich einfach niemand im Netz gerade aktiv für etwas interessiert? Dann sind die Inhalte schneller weg als ihr Dynamische IP sagen könnt.

Und DAS meine Freunde, das ist die wahre Tragödie.

(Update: Laut Kommentaren bei Spreeblick gibt es durchaus noch Möglichkeiten, allerdings sind sie gut versteckt und langsam)

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