Mein Name ist Mensch…
Ich steh‘ dazu, manchmal bin ich beindruckbarer als ein weiches Kissen. Diesen Text hier schrieb ich nachdem ich Gladiator gesehen hatte…
Das früheste an das ich mich erinnern kann ist eine schwarze Flagge. Auf das Tuch wurde krude das Zeichen eines Totenschädels gestickt. Ich sehe, wie die Flagge im Rauch flattert, um dann von ihm verdeckt zu werden.
Ich weiß, dass diese Flagge ein böses Zeichen ist, und immer wenn ich mich an sie erinnere, spüre ich wieder, dass mir etwas schlimmes widerfahren ist, und mir weiterhin schlimmes widerfahren wird.
So war es auch, als ich in der Dunkelheit aufwachte. Ich war alleine in einer engen dunklen Kammer, die nach allem möglichen stank, und zudem permanent hin und her schwankte. Mein Körper war zerschunden, und ich wusste weder wer ich war, noch wie ich in diese Lage gekommen war. Das einzige, an das ich denken konnte, war die Flagge. Sie flatterte halb zerfetzt von einer Schlacht im Wind, und der Rauch begann sie zu verstecken. Von irgendwoher kam ein grässliches Kichern, so als ob direkt neben mir ein Wahnsinniger hausen würde.
Du kannst Dir meinen Schreck vorstellen, als ich merkte, dass das Kichern von mir selber stammte! Ich war kaum mehr als ein Tier. Ein Tier, das langsam aber sicher verendete.
Wahrscheinlich wäre ich in diesem schaukelndem Loch gestorben, wenn nicht zufällig ein Matrose hineingeschaut hätte, um zu sehen, ob der Schiffsrumpf undicht sei. Aber als ich ihn mit seiner Lampe sah, zum ersten Mal seit ich mich erinnern konnte endlich wieder etwas sah, packte mich eine derartige Wut auf diesen, diesen Lichtträger, dass ich mich mit Händen und Füßen auf ihn stürzte.
Er hatte kaum Zeit zu schreien, da hatte ich ihm schon die Kehle zerrissen. Wenig später kroch ich blutig und verdreckt die Decksleiter hinauf. Dort sah ich Drizzzt zum ersten Mal. Drizzzt war der Herr des Schiffes, der Besitzer vieler Sklaven, und er sah sofort durch meinem erbärmlichen Zustand hindurch, und erkannte, dass ich das Zeug zum Helden hatte.
Drizzzt ließ meinen Körper gesund pflegen, und erzählte mir, dass er nicht wusste, dass noch ein Sklave im Schiffsbauch sei. Er meinte, dass ich einen hervorragenden Krieger abgeben könnte, dass ich in seiner Arena für Ruhm und Ehre kämpfen würde.
Der Gedanke an Kampf gefiel mir nicht. Irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, als ob ich wusste, dass ich das schon hinter mir gelassen hätte. Aber mein vorheriges Leben war verschwunden, ich konnte mich an nichts erinnern. Drizzzt versicherte mir, dass ich ein geborener Sklave sei, der schon seit Jahren auf den Galeeren geschuftet hätte.
Ich konnte mich nur an diese schwarze Flagge erinnern, an nichts weiter. Warum ich mein Gedächtnis verloren hatte wusste ich nicht. Aber warum sollte ich einem hohen Drago misstrauen?
Als ich einmal meinen Besitzer fragte, warum er mich plötzlich vom Rudern befreite, sagte er mir, dass er Mitleid mit mir empfände, und mir deswegen eine seltene Chance gäbe. Nur die Besten kämen in die Arena, bekämen die Chance, für ihre Freiheit zu kämpfen…
Nun, ich tat mein bestes, und bald war ich der Held der Arena von Dragolad. Ich war ein Exot, einer der wenigen Menschen unter all den Dragos. Und nach nicht mal einem halben Jahr war ich der einzige, alle anderen hatte die Arena verschlungen. Doch ich wollte nicht zulassen, dass sie auch mich verschlingen sollte. Ich setzte mich immer vehementer zur Wehr, kämpfte jedes Mal entschlossener.
Ich weiß nicht woher, aber ich hatte ein Talent für den Kampf. Obwohl ich mein ganzes vorheriges Leben nur auf Galeeren gerudert hatte, führte ich die Schwerter, als wären sie ein Teil meiner selbst.
Ich war stolz auf meine Leistungen, auf meine Siege. Mein Ansehen als Kämpfer stieg, und obwohl ich keinen richtigen Namen hatte, feuerten mich alle an: „Mensch! Mensch! Mensch!“ Ich konnte gut töten, mit einer Eleganz, die das Publikum liebte. An meinen wirklichen Namen konnte ich mich nicht mehr erinnern, aber „Mensch“ war der Name, der mir genügte.
Doch mit der Zeit setzten die Träume ein. Wann immer ich meine Augen bedeckte, sah ich ein Dorf, das von lebenden Toten besucht wurde, ich sah einen großen Drachen, und Männer (Menschen!), die eine Karawane des Elends anführten. Und zwischendurch immer wieder ein schuppiges Paar Flügel, dass mich aber seltsamerweise immer wieder beruhigte.
Drizzzt war für mich jedoch in der ganzen Zeit ein väterlicher Freund. Er war nicht nur mein Besitzer, er ließ mich auch an seinem Leben teilhaben. Mehr als einmal nahm er mich mit auf einen Empfang, damit die Gesellschaft sich an mir erfreuen konnte.
Eines Tages wachte ich schweißgebadet auf. Die schwarze Flagge war mir wieder im Traum erschienen. Zitternd machte ich mich sauber. Gerade an diesem Tag konnte ich kein böses Omen gebrauchen, hatte ich doch einen besonderen Kampf vor mir. Ich sollte gegen einen Minotauren antreten, ein Kampf, den bisher noch niemand gewonnen hatte.
Als ich die Arena betrat, stand mein Gegner schon vor mir, ein Hüne von fast 3 Metern Größe, bewaffnet mit einer riesigen zweischneidigen Axt. Ich griff die beiden Schwerter fester, und wandte mich erst der Menge, und dann meinem Schicksal entgegen.
Ich überlebte, und mein Herr Drizzzt wollte mich für diese Großtat belohnen. Er führte mich in seine Schatzkammer. „Hier bewahre ich all die Sachen auf, die meine Krieger ihren Feinden abnehmen. Hier liegt all das, was kostbar, selten oder gar magisch ist.“
Ich ließ meinen Blick schweifen. Die „Kammer“ war in Wirklichkeit eine Halle, die vor Kostbarkeiten nur so strotzte. An den Wänden hingen Waffen, Banner, kostbare Wandteppiche, große Tierschädel. Diverse große Truhen oder Schränke standen scheinbar wahllos durcheinander, es gab Regale für die verschiedensten Dinge. Ich erkannte schnell, dass das scheinbare Durcheinander durchaus gewollt war: Diese „Kammer“ sollte dazu dienen, den Reichtum meines Herren zur Schau zu stellen.
Drizzzt bedeutete mir mitzukommen. „Komm, mein tapferer Gladiator. Ich will Dir ein Geschenk machen. Ich habe die verschiedensten Schwerter zusammengesammelt, Waffen aus allen Teilen der Welt. Und Du darfst Dir jetzt eine Klinge aussuchen.“
Wir standen vor einem Tisch, auf dem bestimmt 30 verschiedene Schwerter aller Art lagen. Ich erkannte die schmalen Klingen der Elben, große Säbel, wie sie manche Dragos benutzten, einfache Langschwerter, reichverzierte Prunkwaffen, und sogar Bihänder.
„Schau zur Seite, dort liegen Deine Doppelklingen.“ ertönte plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. „Das Zwillingspaar, das Du früher immer getragen hast.“ Ich fuhr erschreckt herum. Wie kam diese Stimme in meinen Kopf? Wie damals im Bauch des Schiffes fühlte ich mich wieder wie ein wildes Tier, das in die Ecke getrieben war. Dann entdeckte ich den Käfig. In einem etwa ein Meter hohen kuppelförmigen Metallkäfig, der auf einem der Regale stand, hockte ein kleiner Drache! Das Wesen schaute mich ernst mit durchdringenden Augen an. „Nun nimm Dir schon, was Dir gehört. Dann können wir endlich gehen.“
Mit äußerster Willensanstrengung wandte ich mich wieder meinem Herrn und dem Waffentisch zu. Drizzzt kicherte. „Der Feendrache hat dich wohl erschreckt, was?“ Ich nickte. „Irgendwie hat dieses Vieh die Eigenschaft jeden nervös zu machen. Zum Glück kann es nicht auch noch reden.“
Der Drago hatte die Stimme also nicht gehört. Ich schluckte, und versuchte die Schwerter zu finden, von denen dieser Feendrache gesprochen hatte. Und plötzlich wurde mir klar, welche gemeint waren. Sie lagen ein wenig abseits, so als seien sie nicht viel wert. Zwei Schwerter, vollkommen gleich, bis auf die Farbe: Das eine hatte eine fast weiße Klinge, während die des anderen Nachtschwarz schimmerte.
„Die willst Du nicht haben.“ schalt Drizzzt mich, als ich nach ihnen griff. „Sie sind irgendwelchen obskuren Göttern gewidmet, und nicht einmal besonders magisch. Nimm lieber diese hier“, er wies auf ein Schwerterpaar, deren Querstangen reich mit Flammenmustern verziert waren. „Diese Klingen sind wesentlich schärfer, und zudem mit magischen Feuer ausgestattet. Damit wirst Du der absolute Liebling in der Arena werden.“
Aber ich hatte meine Wahl getroffen. Ich wusste, dass diese beiden Schwerter zu meiner Vergangenheit gehörten, dass ich kein Galeerensklave war, dass mein „gütiger Herr“ mich belogen hatte. Ich wusste, dass ich hier nur noch eines zu erledigen hatte…
Das ganze ist nun mehrere Monate her. Irgendwie bin ich aus Dragolad entkommen. Der Feendrache hatte mir gezeigt, welche Dinge ich mitnehmen musste, und wie ich mich am besten aus dem Palast schleichen konnte. Ich habe das Tier freigelassen. „Du musst jetzt Dein Leben wiederfinden.“, hörte ich es in meinen Gedanken, „erst dann wirst Du vollständig frei sein.“ Dann flog es weg, ich habe es nie wieder gesehen.
Und nun bin ich hier. Gestern habe ich wieder von der schwarzen Flagge geträumt, also steht mir wohl weiterhin ein schwieriger Weg bevor. Ich weiß immer noch nicht, wer ich bin, also ist mein Name wohl weiterhin „Mensch“…
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