Mor aus Kash

Dieser Charakter ist richtig alt. Den hab ich zu Beginn meiner Rollenspielkarriere gespielt, und anfangs war der überhaupt nicht durchdacht. Eher so der „Standart-Böser-Magier“-Typus. Irgendwann war ich dann neugierig, und wollte wissen, warum er denn eigentlich böse ist. Und dann entwickelte sich so langsam eine Geschichte. Inzwischen mag ich den Charakter ganz gerne, spiele ihn aber nie als SC, sondern lasse ihn hin und wieder als Deus ex Machina die Spieler retten… ;)

Wirre Farben umhuschten Mor’s Kopf. Er sah sich staunend um, lauschte den Sphärenklängen, die die Magie seines Mentors hervorbrachte. „Sieh genau hin! Dies ist die Formel, die den Dämonen herbeiruft.“ Und wirklich, noch während Krisant die letzten Handbewegungen beendete, manifestierte sich in dem Zirkel, den Mor peinlich genau auf dem Boden zeichnen sollte etwas. Schnell sprach der alte Schamane die Worte, die den Dämonen wieder in seine Dimension zurückbringen würden. „Später einmal werden wir uns näher mit diesem Burschen befassen,“ wandte Krisant sich an seinen Schüler. „wenn Du dich etwas besser gegen Dämonen behaupten kannst.“ 

Mor dachte noch lange an die Farben, an das Gefühl, wie die Magie ihn durchfloß, an das Gesicht des Dämonen, wie es schrecklich und schön zugleich gewesen war. Aber auch das schönste Zauberwerk hat irgendwann ein Ende und Mor mußte sich wieder um die profanen Dinge kümmern. Als Schüler des Stammesschamanen besaß er zwar einige Vorrechte, aber Dinge wie Wasser holen, Pferde pflegen, Korn dreschen und ähnliches mußten vom jedem Kind zwischen 10 und 20 Wintern erledigt werden. 

Er beeilte sich, um nicht zu spät zu kommen, wenn die Reiter des Stammes von der Jagd kommen. Es hatte sich schon eine Gruppe von Jungen versammelt, als Mor auf dem Platz der Jäger ankam. Die meisten von ihnen waren Söhne von Jägern. 

Mor hatte keine Eltern mehr, seine Mutter starb bei der Geburt, und sein Vater auf der Jagd. Dil, einer der älteren Jäger hatte ihm damals berichtet, wie sein Vater, schon tödlich verletzt, den Bären ihm Zweikampf besiegt hat. Der Schamane hat später aus den Gebeinen des Bären einen mächtigen Talisman gemacht. Krisant meinte, als er sich das fertige Amulett besah, daß damit mächtige Geister beschworen werden können. 

Heute hatten die Jäger jedoch nicht viel Jagdglück gehabt. Einige Kaninchen und ein Wolf konnten sie erlegen, nicht mehr. „Heute Abend wird es wohl wenig Fleisch geben.“ dachte Mor wehmütig, als er das halbe Kaninchen in Empfang nahm, das er und der Schamane erhalten sollten. Mor war jetzt unter der Obhut des Schamanen, und sollte, wenn er gut lernte, auch sein Nachfolger werden. Wenige neideten ihm dies, da das Amt des Schamanen zwar ehrenvoll, aber mit wenig Ruhm verbunden war. 

Aber Mor selber liebte die Dinge der Magie. Krisant meinte, daß schon sein Vater sehr begabt in der Magie war, Mor wird das Talent wohl geerbt haben. Dem war das egal, wichtig war nur, daß er, Mor von den Cash-Nomaden irgendwann auch einmal einen Dämonen beschwören würde. 

Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis Mor Gelegenheit bekam, selber einen Dämonen zu beschwören, oder ihn gar zu kontrollieren. Der alte Krisant zeigte ihm zunächst den Gebrauch der Stabzauber, die Kräuterkunde, die Worte der Macht. Aber er lernte auch dunklere Dinge, die Welt der Dämonen und ihre Bewohner kennen. Es zeigte sich, daß der junge Mor eine enorme Selbstdisziplin beim Lernen der Zauber aufbringen konnte. Auch wirkte seine Magie meist länger als eigentlich möglich. 

„Aus Dir wird mal ein mächtiger Schamane!“ meinte Krisant häufiger zu seinem Schüler. „Aber Du mußt eines lernen: Die Macht alleine reicht nicht aus, um den Stamm zu schützen. Du kennst die Gefahren, die von der Geisterwelt ausgehen, Du weißt, daß das was tot scheint nicht unbedingt unbelebt ist. Aber der Stamm, die Krieger des Stammes, mit denen Du später kämpfen wirst, die wissen das nicht. Die wissen nur, daß Du schlechter reiten kannst. Die sehen, daß Du bei weitem nicht so geschickt mit dem Bogen, dem Speer oder dem Schwert bist.“ 

„Deswegen mußt Du dir ihren Respekt auf andere Weise verschaffen. Sie müssen wissen, daß Du ein Gegner bist, den man fürchten muß. Sie müssen Dich fürchten! Ein Großteil Deiner Zeit hier wirst Du ab sofort damit verbringen, den anderen zu beweisen, daß Du über Kräfte verfügst, die sie nie erreichen können. Du wirst die Dunkelheit und die Angst zu deinen Gefährten machen. Denn nur wenn man Dir hier im Dorf mit Respekt begegnet, wird man das auch auf dem Schlachtfeld tun.“ 

Fortan lernte Mor, wie er mit wenigen magischen Tricks größtmögliche Aufmerksamkeit erlangen konnte. Er lernte Worte der Macht, und er lernte die Dunkelheit zu beherrschen. Von nun an war er dafür verantwortlich, daß der Platz, auf dem sein Mentor auf der Stammesversammlung saß immer im Schatten lag, so daß man zwangsläufig nur das Aufblitzen in dessen Augen sah. Mor wurde von seinen Stammesgenossen geachtet, geachtet und gefürchtet. 

2 Monate nach seinem 16. Geburtstag geschah es dann trotzdem: 

Harlan

„He! Sprücheklopfer! Mit deinen lächerlichen Zaubertricks kannst Du doch niemals einen Feind besiegen.“ Es war einer der jungen Jäger, Harlan. Mor schaute ihn irritiert an. Wußte Harlan, daß ein Großteil seiner Magie nur Schau war? Er beschloß die Herausforderung anzunehmen: „Lächerliche Zaubertricks? Ich muß mich schon zusammennehmen, nur damit ich diesen Stock von dir nicht zu Asche verbrennen lasse.“ Um seine Worte besser wirken zu lassen, rief Mor Feuer in seine rechte Hand. Er hielt die brennende Hand hoch, damit alle, und vor allem Harlan, gut sehen konnten, daß Magie im Spiel war. Mor hoffte, daß der junge Jäger nun Ruhe geben würde, denn für viel mehr reichte seine Kraft nicht mehr. Aber er hatte sich geirrt. 

„Ein bißchen Feuer ist alles was Du drauf hast?“ höhnte Harlan. Er schien sich recht sicher zu sein, daß Mor ihm nichts anhaben konnte. 

„Nun, ein klein wenig mehr kann ich doch noch!“ setzte Mor entgegen, und ließ magisch das Fell von Harlans Weste brennen. 

„Du Hund!“ schrie dieser auf, und riß sich hastig seine Weste vom Leib. Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf Mor. Dieser verwendete den letzten Rest seiner Magie für einen Schildzauber, und bereitete sich auf eine Abreibung vor… 

An diesem Abend stürzte Mor sich wütend auf seine Bücher. Er suchte fieberhaft nach Zaubern, mit denen er es seinem Widersacher heimzahlen würde können. Er fand ein Buch mit Elementarflüchen, oder sollte man eher sagen, es fand ihn? 

Fest steht, daß Mor am nächsten Tag Harlan seinen leisen Tritt nahm. Jeder seiner Schritte wurde von einem lauten Geräusch begleitet. Erst nachdem Harlan bei Krisant um Verzeihung und Hilfe gebeten hatte, wurde er erlöst. Krisant forderte Mor auf, den Fluch zurückzunehmen, vorausgesetzt Harlan würde sich in Zukunft zu benehmen wissen. Von da an war Mor´s Stellung im Stamm gesichert, wenn er auch etwas dunkles auf seine Seele geladen hatte. Das Wissen um die Elementarflüche beeinflußte Mor, er wurde brütender, dachte mehr an Macht, statt wie vorher an die Wunder der Magie. 

Ellana

Die einzige, die Mor ein wenig von seinem Gedanken über Macht abbringen konnte, war Ellana, die Tochter des Stammesfürsten. Mor hatte sich früh in sie verliebt, und verbrachte viel von seiner freien Zeit bei ihr. Wann immer er etwas neues gelernt hatte, ihr erzählte er es. Sie wäre zum Mittelpunkt seines Lebens geworden, wenn die Magie nicht gewesen wäre. Aber Ellana war wohl glücklich als 2. in Mor´s Leben. Sie wußte, das für einen Schamanen nichts mit dem Reiz der Magie konkurrieren könnte. Sie genoß die Aufmerksamkeit, die ihr der junge Mor entgegenbrachte, und freute sich auf den Tag, wo er sie in sein Zelt führen würde. 

Fürst Alaitoc sah ebenfalls wohlwollend auf die Verbindung zwischen den beiden. Er mochte die Möglichkeit, einen so begabten Schamanen an seine Familie binden zu können.
Der Erzdämon 

Es war später in diesem Jahr, als Mor soviel gelernt hatte, daß er selber Dämonen beschwören konnte. Unter der Aufsicht des alten Schamanen zeichnete er die magischen Zirkel auf den Boden des Zeltes. Krisant freute sich über Mors Fortschritte auf diesem Gebiet, ermahnte ihn aber auch immer wieder vorsichtig zu sein. Mor sollte sich hüten größere Dämonen zu beschwören. Nicht jeder ließe sich kontrollieren. 

Aber Mor hatte ehrgeizige Pläne: Er wollte einen Dämonen zur Jagd beschwören. Er dachte an einen der großen Nachtschwingen, auf denen er reiten lautlos über die Herden der Wildrinder hinwegziehen konnte. Er wußte daß Krisant den ganzen Abend bei einer Stammessitzung verbringen würde. Vorsichtig zog er die Zeichen der Kontrolle auf den Sandboden, bedächtig konstruierte er den Zirkel der den Dämonen lange genug halten würde, bis er ihn vollständig unter seiner Kontrolle hätte. Dann begann er die Beschwörung. 

Schon als er die letzten Silben der Formel gesprochen hatte, wußte er, daß irgend etwas auf der anderen Seite des Zirkels war. Etwas hatte auf ihn gewartet, und benutzte nun den Weg, den er geebnet hatte! Mor sah mit Entsetzen, daß sich im Zirkel eine große Gestalt manifestierte, etwas, daß gerade eben in das Zelt paßte. Die Lampen um ihn herum verloschen, und nur noch das Glühen der Sandsymbole um den Zirkel erleuchtete die Gestalt des gekauert sitzenden Dämons, der mühelos die Grenzen des Bannkreises durchbrach. 

„Wen haben wir denn hier?“ erklang es in Mors Gedanken. „Einen kleinen Schamanen, der sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, und mir nun Zugang zu ungeahnten Freuden verschafft. Schön!“ Der Dämon kicherte leise gurgelnd. Mor stand wie gelähmt vor dieser monströsen Kreatur und versuchte sich zu erinnern, wie er Herr der Lage werden konnte. „Versuch es erst gar nicht. Du bist viel zu schwach, mich auch nur länger anzusehen. Ich trinke Deinen Geist, und schon bald werde ich den Geist deines ganzen Stammes getrunken haben.“ 

„Mor mag zu schwach sein, aber ich verfüge noch über etwas Macht.“ Krisant war im Zelteingang erschienen, und um seine Hände leuchtete blaues Feuer. „Oh, ein Träger des blauen Feuers, wie furchterregend!“ Der Dämon wandte sich kichernd Krisant zu. „Es ist lange her, daß ich einen der euren vertilgt habe. Es wird mir gut schmecken.“ Krisant betrat das Zelt vollends, und ließ hinter sich den Eingang zufallen. „Nein, Relltrech aus diesem Dorf wirst Du nicht trinken können. Ich werde alles tun, um das zu verhindern.“ Das Feuer um Krisants rechte Hand verlosch, als er nach seinem Stab griff. „Die Götter werden mich in meinem Bestreben unterstützen, und dich wieder in den Abgrund zurückschicken.“ 

Was nun geschah sollte Mor in seinen Alpträumen verfolgen: Krisant und der Dämon prallten aufeinander, und rangen. Es war für Mor unverständlich, wie der alte Schamane gegen den doppelt so großen Dämonen bestehen konnte. Und es schien tatsächlich so, daß Krisant unterliegen würde. Aber kurz bevor der Dämon an seine Kehle greifen wollte, rief Krisant mit lauter Stimme „Ara bege! Cay Erag hola ewa gleos Ara!“. Krisant begann in blauen Licht zu leuchten, und zu strahlen. Er krallte sich an den Leib des Dämonen. Es gab noch einmal einen starken Lichtblitz, und der Dämon versank in den Resten des Beschwörungszirkels. Krisant blieb tot darauf liegen. 

Es dauerte mehrere Stunden, bis Mor sich wieder bewegen konnte. Sein erster klarer Gedanke galt Ellana. Hatte der Dämon etwa schon begonnen, dem Stamm etwas anzutun? Hals über Kopf lief er zu dem Zelt des Stammesfürsten. Ellena schlief noch, es schien ihr gut zu gehen. Mor strich ihr sanft über das Haar. „Aha, dieses Kind ist Dir wohl wichtig? Nun, ein wenig Macht habe ich noch.“ Mor zuckte zusammen als er diese Stimme wieder in seinen Gedanken hörte. Aber es war zu spät: Ellena verwandelte sich vor seinen Augen zu Stein! 

Als Mor wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, saß er auf einem Pony mitten in der Steppe, hinter ihm ein Stapel alter Bücher. Irgendwie muß er aus dem Dorf seines Stammes geflohen sein. „Wahrscheinlich ist es besser so“, dachte er sich. „Solange ich die Magie nicht beherrsche, bin ich eine Gefahr für alle.“ 

Eremit

Die nächsten 4 Jahre verbrachte Mor in den Bergen. Durch die Magie verschaffte er sich Nahrung und Wasser. Er beschäftigte sich eindringlich mit den Schriften der aus Cash mitgenommen hatte. Es waren zum größten Teil dunkle Werke, die von Nekromantie, Dämonenbeschwörung, und ähnlichen Dingen handelten. Aber es waren auch Traktate über die Heilkunst oder über Druidenzauber dabei. Mor war zunächst abgestoßen von den dunklen Schriften die er dabei hatte, und er wäre nicht auf den dunklen Pfad gestoßen, wenn er sich nicht ständig an die Ermahnung seines Meisters erinnert hätte. „Sie müssen wissen, daß Du ein Gegner bist, den man fürchten muß. Sie müssen Dich fürchten!“ hatte Krisant gesagt. Mor war zwar immer noch unerfahren als Magier, als er die Berge wieder verließ, aber er wußte genug, um andere in Angst zu versetzen. Sein Haar war weiß geworden, und sein Körper war bleich. Sobald Mor etwas Lebendes mit bloßen Händen berührte, verwandelte es sich in Stein — der Abschiedsgruß des Dämons.

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