Spielen mit Szenen

Drüben beim Rollenspiel-Blogs Forum gibt es eine Diskussion über „Szenenbasiertes Rollenspiel“. Das mäandert ziemlich, aber es stecken auch interessante Dinge drin. Insgesamt brachte es mich dazu, darüber nachzudenken wie ich Rollenspiel leite und meine Abenteuer, Szenarien und Kampagnen plane.

Wer mich kennt, weiß dass ich sehr gerne in Konzepten und Bildern fantasiere. Auch wenn der Hofrat darüber schimpft, vieles beginnt bei mir mit „wäre es nicht cool, wenn…?“  Im Ergebnis habe ich für alle meine Abenteuer immer ein Schlüsselbild vor Augen, einen Moment in dem irgendetwas passiert was mich reizt und den ich meinen Spielern präsentieren möchte. Diese Szene nehme ich dann als Anker um den Rest zu gestalten.

Idealerweise ergibt diese Gestaltung dann weitere Szenen, und mögliche Verknüpfungen zwischen ihnen. Während des Spielabends schaue ich dann auf die Aktionen der Spieler und habe dann folgende Möglichkeiten:

  • ich bleibe in der laufenden Spielzeit und lasse die Welt einfach auf die Aktionen der Spieler reagieren. Die Handlung läuft quasi in Echtzeit weiter und auf jede Aktion folgt die passende nächste Aktion. Alles was passiert, passiert vor der laufenden Kamera.
  • Ich beschließe (hochherrschaftlich oder in Absprache mit den Spielern), dass es einen Szenenwechsel gibt und Handlung übersprungen wird. Wir landen an einem neuen Ort und an einer anderen Zeit und nehmen dort das Spiel wieder auf. Wo genau? 
    • Eben da, wo wir folgerichtig nach der letzten Szene hinwollten. Wenn sie mit „wir fahren dann mal nach Rom“ endete, dann beginnen wir eben genau in Rom, und zwar an dem folgerichtigen Punkt.
    • Oder die neue Szene hat (zumindest vordergründig) recht wenig mit vorangegangenen Spielerentscheidungen zu tun, sondern entspringt entweder der „Meisterwillkür“, gerne aber auch dem Spielerwunsch. (Inwieweit Zufallsbegegnungen hier hineingehören muss ich mir beizeiten noch überlegen!)

Und genau dieser letzte Punkt ist, denke ich, Szenenbasiertes Rollenspiel. Handlung findet statt, nicht weil sie sich direkt aus der vorangegangen Aktion ergibt, sondern weil der Wunsch nach einer bestimmten Handlung vorhanden ist.

Die Gefahr ist, dass man sich zu sehr auf die Wunsch-Szenen stürzt und diese dann auf Schienen ansteuert. Oberflächlich betrachtet mag das dann sehr cineastisch und episch wirken, allerdings nimmt man damit den Spielern auch genau das, was Rollenspiel eigentlich liefern soll: Die Entscheidungsfreiheit.

Zusätzlich kann alles sehr oberflächlich werden, da man die Erklärung, warum etwas passiert, mitunter komplett an den Haaren herbeigezieht.

In eine ähnliche Kerbe haut Settembrini wenn er sich so beschwert:

Wenn man nur das anstrebt, das Szenenverketten, dann kommt man wie von selbst auf die Idee, daß alle Reisegeschwindigkeit sich ganz logisch alleine aus dem „Plot“ ergeben sollen und müssen, und alles andere albern sei.

Wie bekomme ich also diese gewünschte Tiefe in meine Aneinanderreihung von Szenen? Einige Grundregeln:

  • Habt immer ein Diagramm parat (idealerweise auf Papier, im Zweifel aber mindestens als Skizze im Kopf), dass folgende Dinge in Abhängigkeit setzt: 
    • Orte, die dort vorhandenen Personen und die Entfernungen und Hindernisse zwischen ihnen
    • Personen und Gruppierungen, ihre Ziele, der Grad der jeweiligen Zielerreichung und die Beziehungen zwischen allen
  • Schaut zwischen zwei Szenen auf dieses Diagramm. 
    • Wieviel Zeit muss mindestens vergehen, damit alle Personen in der nächsten Szene da auch sein können?
    • Verändern sich die Ziele oder Beziehungen irgendwie aufgrund von Dingen die in der letzten Szene oder im Hintergrund passierten?

Das Resultat dieser Überlegungen sollte jetzt, wenn relevant, in die neue Szene einfließen. Damit wisst Ihr z.B. welche NSC überraschend auftauchen könnten, welche eben nicht und wie sie wohl gelaunt sind.

Das darf durchaus vereinfacht werden, nicht jedes Szenario ist so komplex, dass man das alles modellieren will oder gar muss. Und nicht jede Szene ist von diesen Überlegungen betroffen. Zum Beispiel weil sie eine in sich abgeschlossene Nebenhandlung abbildet, oder weil der Gesamtrahmen eh nicht größer als ein Dungeon ist.

Dazu gibt es Dinge, die man frei schieben kann, ohne dass es Auswirkungen auf den Rest der Simulation hat. Solange nicht festgelegt ist, wann in dem kleinen Dorf Hintereberswald Markttag ist, findet der halt genau an dem Tag statt, wo die Helden zum ersten Mal einreisen, schlicht weil es das Dorf so interessanter macht. Es sei denn, es soll ausgestorben sein, dann sind halt alle gerade bei Bauer Eckart zur Hochzeit eingeladen.

Man darf also gerne nur das in der Planung berücksichtigen, was die Spieler beobachten konnten. Wenn der schurkische Fechtmeister in Szene 1 von der Klippe sprang und dann über Wochen, ach, Monate nicht beobachtet wurde, dann kann er quasi jederzeit an jedem Ort auftauchen, wo immer es „dramaturgisch“ interessant ist.

Ich als Spielleiter nutze das gerne, da es meine Vorbereitungsarbeit angenehm verkürzt. Anstatt ständig alle Variablen zwischen den Szenen zu simulieren, gibt es für viele von ihnen einfach nur einen Rahmen innerhalb dessen ihre Handlungen konkret werden können. Schrödingers NSC sozusagen.

Das funktioniert aber nur dann gut, wenn ich zum Zeitpunkt des neuen Auftauchens verbindlich…

  • …prüfe, ob die Figur auch wirklich hier auftauchen kann (Reisezeit, Motivation, Ressourcen),
  • …festlege, wie es zu dem Auftauchen kommt und die damit gesetzte Handlung für die Zukunft berücksichtige.

Wenn ich das berücksichtige, wirkt die Handlung organisch und in sich stimmig. Wenn die Spieler also das erste Mal an einem Montag in Hintereberswald eintrafen, dann ist ab sofort immer Montags Markttag.

Der klare Vorteil Szenenbasierten Spiels ist es, dass man gezielt solche Abschnitte wegschneiden kann, die keinen am Spieltisch wirklich interessieren.

Ebenso gibt es die Möglichkeit, den Spielern Sicherheiten zu geben: Viele Spieler geraten in die Planungsfalle und fangen an alle möglichen und unmöglichen Risiken eines Hinterhalts zu hinterfragen und kommen schlicht nicht mehr zu Potte. Schneidet die Spielleitung hier aggressiv in die nächste Szene, signalisiert sie „Euer Plan ist gut genug, Ihr habt nichts übersehen, was Ihr nicht hättet übersehen dürfen.“ (Daran muss man sich dann aber auch halten!)

Idealerweise legt man sich als Spielleiter einen Fundus an Szenen zurecht, die man dann an passender Stelle (Ort, Zeit, Ressourcen, Motivation!) ansteuern kann. Springt nicht auf Schienen von Szene 1 zu Szene 2, sondern schaut auf Eure Handlungsmaschine und wählt dann aus. Legt kurz fest (alleine oder auf Vorschlag der Spieler), wie es zu dem Szenenübergang kommt und was die Spieler über die vergangene Zeit und den Ortswechsel wissen müssen.

Ich persönlich empfinde diese Form des Spiels als sehr befriedigend, weil ich eben meine innere Rule of Cool ausleben darf, ohne dabei die Weltsimulation zu gefährden.

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