Roll Inclusive — Halbzeitrezension

Im lief die Roll Inclusive Kickstarter Kampagne. Was war das?

Roll Inclusive ist ein populärwissenschaftlicher Essayband, der euch auf ca. 320 Seiten das Thema Diversity und Repräsentation im Pen-&-Paper-Rollenspiel näherbringen möchte.

Selbstbeschreibung der Kampagne

Inzwischen habe ich gut die Hälfte der Essays durch und muss sagen, das war eine vorzügliche Investition, gerade für diejenigen unter uns, die Material für andere schreiben oder aufbereiten.

Die einzelnen Essays liefern eine sehr brauchbare Einführung in die Themen rund um Diversität, Repräsentation und respektvollem Umgang miteinander. Sie erklären Fachbegriffe und Konzepte und sind dabei nie vorwurfsvoll oder anklagend.

Es gibt vielfältige Verweise auf bekannte und unbekannte Rollenspiele. Diese sind zum Glück so gestaltet, dass man diese selbst gar nicht kennen muss, da reichhaltige Fußnoten und Erklärungen vorhanden sind. Dadurch ist der Essayband wahrscheinlich auch grundsätzlich für Nicht-Rollenspieler verständlich, was ich sehr begrüße.

Die Hinweise, Hilfestellungen und Anregungen sind allesamt eher allgemeiner und abstrakter Natur. Die Essays wollen ein Bewusstsein für Situationen schaffen, damit man dann selbständig und bedacht innerhalb dieser agieren kann. Es werden Brücken gebaut und ein Verständnis dafür geweckt, warum bestimmte Dinge problematisch sein können. 

Was es nicht gibt, sind Handlungs- oder Denkverbote. Stattdessen wird erklärt, warum bestimmte Klischees ausgrenzend wirken können, warum manche Begriffe beleidigend sind, und vor allem wieso ein achtsamer Umgang auch wichtig ist, wenn doch gar keine Betroffenen dabei sind. Denn die Art, wie wir uns Geschichten erzählen kann unser Denken prägen.

Ob und wie man das alles am Spieltisch oder beim Schreiben von Abenteuern oder Kampagnenwelten anwendet überlässt der Band uns selbst.

Alles in allem eine klare Kaufempfehlung. Leider ist der Band derzeit noch nicht kaufbar, aber ich hoffe, das ändert sich bald!

Update: Der Band wird ab dem 24.10. sowohl im Print als auch als E‑Book für alle käuflich erwerbbar sein.

Von Hunden und (Wer-)Wölfen

Letztes Wochenende verbrachte ich (mal wieder) in Bielefeld um ausgiebig dem Hobby zu fröhnen.

Das schöne daran ist, dass ich immer wieder Systeme spielen kann, die ich vorher noch nur vom Hörensagen kannte. Dieses Jahr war das Dogs in the Vineyard.

Von Hunden…

Für diejenigen, die es nicht kennen: DitV ist eines der ersten Spiele die „Indie“-Rollenspiel bekannt gemacht haben. Man spielt die „Hunde im Garten des Herrn“, also Laienprediger eines Fantasy-Mormonismus in einem fiktiven alten Westen, die in die verstreuten Städte reiten um dort die Sünder zu erkennen.

DitV kommt mit einem verflixt effektivem Mechanismus um stetig eskalierende Konflikte abzubilden, und wurde dafür stets gerühmt.

Nach dem Spiel letztes Wochenende kann ich dem nur zustimmen: Schon die Erschaffung der eigenen Personnage führt die Spieler in die Welt ein, verknüpft sie mit dieser und gibt allen am Tisch ein Gefühl darüber, was ihre Rolle sein wird. Zusätzlich gibt es eine Art „Abschlussprüfung“, die jede Personnage durchläuft und die gleichzeitig den zentralen Konfliktmechanismus erläutert und erfahrbar macht.

Besagter Mechanismus ist im Grunde sehr simpel: Attribute, Eigenschaften, Beziehungen und Gegenstände bilden einen Würfelpool. Dieser wird geworfen und dann geht das Bieten, Mithalten und Erhöhen los, bis jemand nicht mehr mithalten kann oder will. Wenn man für diese Aktionen mehr als zwei Würfel benötigt, gibt es sogenannten Fallout — Schaden, den man auf jeden Fall am Ende würfelt.

In Abhängigkeit davon, wie sehr der Konflikt eskaliert ist, sind diese Schadenswürfel vier- bis zehnseitig. Eine Eskalation will man also im Allgemeinen sehr gerne vermeiden — allerdings kann man so unter Umständen eine ganze Menge Würfel mehr in seinen Pool bekommen…

Das Ganze lief dann im Spiel überraschend flüssig und interessant ab. Die Regeln formen einerseits sehr schön das Narrativ, erlauben aber auch ein sehr taktisches Spiel. Da DitV genau diesen Mechanismus zum zentralen Element des Spiels erhebt, ihn wunderbar in seine Umgebung einbettet und damit genau die Sorte Spaß erzielt, die es erzeugen will und bewirbt, ist es ein hervorragendes Beispiel für ein gelungenes „modernes Rollenspiel“.

Dass die Runde dann auch noch mit hochkarätigen Profi-Rollenspielern besetzt war, tat dann sein übriges. Ich war begeistert.

…Werwölfen…

Ebenso begeistert war ich von der Monsterhearts Runde, die wir dann später am gleichen Abend hatten. Aus rein organisatorischen Gründen (Karsten hatte nur die vorherige Version dabei), spielten wir leider nicht die zweite Edition. Das ist am Rande schade, mich hätte nämlich durchaus interessiert, wie sich die Überarbeitungen im Spiel auswirken, tat aber dem grandiosen Spaß keinerlei Abbruch.

Interessant an dieser Runde war, dass es keinerlei externe Bedrohung gab. Stattdessen machten die Charaktere (Vampir, Werwölfin, ein Infernaler und eine Fae und ein Sterblicher) sich das Leben gegenseitig schwer.

Ich selbst habe das erste Mal versucht, den Sterblichen zu spielen. Das ist ein Playbook, das ohne eigene Macht auskommt — sich dafür aber hervorragend eignet, immer mehr Drama in das Leben der anderen Figuren zu bringen. Allerdings war das kaum notwendig, waren die anderen Spieler doch ebenso aktiv, genau das zu tun.

Denn als One-Shot ist Monsterhearts ein wahres Drama-Monster. Ich habe noch keine Runde erlebt, in der nicht alle Anwesenden beschlossen haben, ihre Charaktere wie ein gestohlenes Auto durch das Szenario zu steuern: Ohne Rücksicht auf etwaigen Blechschaden oder sonstige Verluste. Cheerleader wurden ausgesaugt, Polizisten in der Luft zerrissen, Handyvideos mit dem Hashtag #bitchfight an die ganze Schule weitergeleitet, und am Ende überlebte nur der Vampir den Showdown.

…und der Post in der Postapokalypse

Wenn ich derzeit viele Nerds treffe, zwinge ich denen eigentlich immer ein Testspiel Mail Order Apocalypse auf. So auch letztes Wochenende. Dabei kann ich verkünden, dass das jetzt schon die zweite Testrunde in Folge war, nach der ich nichts mehr am Spiel verändert habe. Offensichtlich ist das Spiel jetzt soweit gereift, dass es in sich stimmig ist und funktioniert.

Auch die Zufallsbegegnungen und Ortsbeschreibungen helfen ungemein. Ich recycle ja momentan immer Varianten des Zugraub-Szenarios, mische dabei aber stets Orte und Begegnungen aus den Tabellen hinein, und die Ergebnisse sind immer interessant und für die Spieler die Welt um ein vielfaches bunter.

Die Spieler haben sich schnell untereinander vernetzt, ihre Ausrüstung in interessanter Weise benutzt und sind sehr zu meiner Freunde am Ende doch dem Twist des Szenarios aufgesessen, und schmieden nun Rachepläne gegen die Techno-Mönche…

Alles in allem, wieder einmal ein wunderbares Spielewochenende.

Mail Order Apocalypse — Design Diaries

I can’t quite believe it, but it’s been one and a half years since I started writing my own RPG, Mail Order Apocalypse.

On the upside, it is mostly done by now. What is left is a lot of editing and layout, both things that will mostly be done by people better at these things than me. Looking back to the past 18 something months made me realise quite a few things though:

  1. Commissioning artwork for your prospective new game is a neat thing to kick yourself in the butt and get going, but it is no cure all. I commissioned mine from Alex Mayo — that man is a pleasure to work with.
  2. MOA started out as a „powered by the Apocalypse“ game. I wrote a all the basic moves and a lot of the class-specific ones, but eventually hit a dead end. My main problem was that I had nifty ideas for a „Desperation“ status, which never quite came together.
  3. So, when Paolo Greco mentioned Into the Odd to me, I got me a copy (thanks Harald!) and things immediately clicked. This is the simple basis I was looking for.
  4. Simple“ means that MOA is a great pick up game. A new character is made within a few minutes and the rules are super easy to grasp.
  5. Providing simple stats and a randomized but eclectic starting equipment also means, that players have just a handful of things to grab on to when starting the game. But these things are evocative and inspiring. Every player I had so far did something interesting with the starting equipment within the first hour.
  6. The loot and encounter tables started out as an exercise of coming up with „silly, but believable“ stuff. But in the end, they have constantly created a set of loot that felt rewarding enough and also inspired players to, again, do something interesting with it.
  7. One leftover from the games PbtA roots are found with the referee instructions. Adhering to them ensures that the game coasts along the fine line of forcing the survivors to constantly do something, but never made them succumb to desperation.

I look forward to finishing this, and who knows, maybe more than a handful of people will buy it.

Des fröhlichen Orcs holistische Rollo-Lehre

Ziel der holistischen Rollo-Lehre nach Orc-Art ist es, den Spaß am Rollenspiel zu erfahren, in all seinen Facetten. Sie bedingt, dass man sich für unbekannte Dinge öffnet und sie nicht verdammt. Gleichzeitig erkennen Lernende der holistischen Rollo-Lehre nach Orc-Art, dass nicht alles allen gefällt. Dinge für sich selbst zu verwerfen ist erlaubt. Nicht erlaubt ist es hingegen, andere Spielweisen als objektiv verkehrt oder unspaßig zu bezeichnen.

Der fröhliche Orc vergibt als Begründer der holistischen Rollo-Lehre Grade um die Lernenden auszuzeichnen.

1. Grad: Samenkorn
Ein Samenkorn ist jede Person, die sich aktiv für Spaß am und durch Rollenspiel interessiert und bemüht und die holistische Rollo-Lehre verfolgen möchte. Hierzu müssen keine besonderen Aktivitäten nachgewiesen werden — die öffentliche Selbstbekundung genügt.

2. Grad: Sprößling
Sprößlinge haben aktiv und mit Freude an Rollenspiel teilgenommen und können zwei verschiedene Spiele namentlich bezeichnen, an denen sie Spaß hatten. Zu jedem Spiel können sie einen Satz liefern, warum dieses Spiel Freude bereitet hat, und es dabei von dem anderen Spiel abgrenzen.

3. Grad: Unkraut
Unkräuter sind Sprößlinge, die negative Erfahrung gemacht haben. Sie können zwei weitere Spiele nennen, die sie gespielt haben, und erklären, warum diese keinen Spaß bereitet haben. Unkräuter können dabei aufzeigen, dass der nicht-Spaß durch das Spiel selbst, und nicht erst durch die Spielenden erzeugt wurde.

4. Grad: Rasenbelüfter
Rasenbelüfter haben die negative Erfahrung von Unkraut umgedreht: Sie zeigen auf, wie ein nicht-Spaß Spiel für sie spaßig wurde. Sei es durch die Mitspielenden, durch eine Regeländerung, oder sonstige Anpassung.

5. Grad: Bestäuber
Bestäuber sind Rasenbelüfter, die andere zum Spaß geführt haben und davon erzählen können: Sie können auf fünf Menschen zeigen, die dank ihnen Spaß beim Rollenspiel erfahren haben, den diese sonst nicht gehabt hätten. Vielleicht haben sie andere auf ein neues System aufmerksam gemacht, vielleicht haben sie eine Kampagne besonders toll geleitet, oder etwas ganz anderes gemacht.

6. Mischwiese
Hat ein Bestäuber aus jeder der folgenden Gruppen mindestens zwei Spiele aktiv und mehr als einmal bespielt und hat zu jedem der genannten Spiele eine gefestigte Meinung verkündet, darf diese Person sich Mischwiese nennen. Die Gruppen sind bewusst vielfältig, in der Hoffnung, bei den Suchenden eine eklektische Erfahrung hervorzurufen.

  • Gruppe 1: Rolemaster, Palladium, Harnmaster, Midgard, DSA vor 4. Edition, MWmdK, Shadowrun
  • Gruppe 2: D&D, MERS, SAGA, Orkworld, Adventure Fantasy Game, Burning Wheel, Vampire, Fiasco
  • Gruppe 3: Irgendetwas powered by the Apocalypse, Paranoia, GURPS, Earthdawn, Lamentations of the Flame Princess, irgendwas mit FATE, irgendein Spiel ohne Zufallselemente

7. Rasenmäher
Rasenmäher haben die eigene Mischwiese begradigt. Dazu haben sie bewusst ein Spiel verlassen, dass ihnen keinen Spaß (mehr) macht, und das auch kundgetan. Einfach nicht mehr kommen reicht nicht. Den Tisch umwerfen und zu rufen „Da mache ich nicht mehr mit!“ wäre ein atomgetriebener  Rasenmäher. Es reicht ebenso ein öffentlicher Blog- oder Forumspost, der darlegt, warum ein bestimmtes Spiel nicht mehr gespielt wird. Die moralische Grundannahme der Orc’schen Rollo-Lehre (Leben und leben lassen) muss allerdings gewahrt bleiben.

8. Flammenwerfer
Verbrannter Boden ist bekanntlich besonders fruchtbar. Flammenwerfer haben Spielmaterial veröffentlicht und dabei erklärt, welche Sorte Spaß man damit haben kann. 

9. Orbitalbomber
Flammenwerfer, die ihren Wirkungskreis vergrößern wollen, haben zusätzlich jeweils ein Spiel aus all den folgenden Gruppen gespielt:

  • Gruppe 1: Artesia, Call of Cthulhu
  • Gruppe 2: Warhammer Fantasy Roleplay, eine beliebige Variante von Black Hack oder White Hack
  • Gruppe 2: Hollowpoint, ein Cortex+ System 

Zu jedem gespielten Eintrag kann ein Orbitalbomber sagen, warum es noch gespielt wird (oder noch gespielt werden würde, wenn sich die Gelegenheit ergibt) oder warum es aufgegeben wurde.

10. Waldbegrünung
Wer nach dem Orbitalbombardement gutes tun will, schreibt und teilt sein eigenes Spielkonzept. Damit ist nicht nur ein Abenteuer oder eine Kampagne gemeint, sondern ein mehr oder weniger komplettes Spiel, mit (adaptierten) Regeln, Hintergrund und Regieanweisungen.

11. Maiglöckchen
Wenn die Waldbegrünung nicht reicht, eröffnet man die eigene Schule, einen Salon oder ein Dojo und ist fortan im Salon des fröhlichen Orcs als Maiglöckchen willkommen.