Umgang mit Mindermeinungen — politische Diskussion für Dummies

Dass man in einer Gruppe von Menschen einmal solche findet, die eine andere Ansicht zu irgend etwas haben, als man selbst, ja vielleicht sogar eine andere Ansicht als die Mehrheit dieser Gruppe, das kommt vor.

Und das ist nicht schlimm. So gar nicht, jetzt ehrlich nicht.

Schlimm wird es, wenn die eine oder andere Seite deswegen anfängt, auf der jeweils gegenüberliegenden Seite verbal oder sogar tatsächlich herumzuhacken.

Also, wenn zum Beispiel Neonazis Asylantenheime anzünden, weil ihnen dieselben nicht gefallen.

Oder wenn irgendwelche selbsternannten Piraten auf einen sachlichen und ergebnisoffenen Artikel, der im Endeffekt nach mehr Toleranz und einer besseren Welt ruft, mit „die müsste man mal bummsen“ oder ähnlichen Beschimpfungen (caveat: Ich bin gerade zu faul, Links zu den eigentlichen Beleidigungen herauszusuchen. Ich finde aber auch, dass man die nicht noch extra verlinken muss) reagiert.

Also, sowas, sowas ist schlimm. Und ja, ich packe beides in die gleiche Schublade. Wer eine andere Meinung nicht leiden kann, der soll sie bitte entweder ignorieren, sachlich zerpflücken, oder einfach nur kundtun, dass er diese Meinung nicht teilt. „Immer feste druff!“ war noch nie das geeignete Mittel, um andere dazu zu bewegen, doch bitte von ihrer Meinung abzurücken.

Selbst wenn die Meinung wirklich widerwärtig und so ist (was Julias im Übrigen mitnichten ist. Meiner Ansicht nach sogar im Gegenteil!): Im besten Fall reden sie danach über diese Meinung nur noch im Geheimen, im schlimmsten Fall wird die Gegenseite radikalisiert, in die Defensive gedrängt und geht irgendwann eben auch zum offenen Angriff über.

Wie gehen wir also mit Mindermeinungen am besten um? Zuerst einmal sollte man sich Mühe geben, sie zu verstehen. Das muss nicht mit jeder Äusserung neu geschehen, aber zumindest ein einziges Mal, so dass man für zukünftige Begegnungen mit der gleichen Ansicht gewappnet ist. Hat man die Mindermeinung nun also inhaltlich durchdrungen und verstanden, dann hat man (so man sich diese Mindermeinung nicht plötzlich auch selbst zu Eigen gemacht hat) hoffentlich auch ausreichend Gegenargumente gesammelt.

Diese gesammelten Gegenargumente kann man nun sachlich und hilfreich dem Vertreter der Mindermeinung darlegen. Im Idealfall gibt besagter Vertreter jetzt weitere Ausführungen zu Protokoll, man reagiert mit neuen Argumenten, und trifft sich vielleicht irgendwo, und neue Erkenntnisse werden gewonnen, wir alle haben gewonnen. Vielleicht überzeugt sogar die eine Seite die andere vollends. Dann hat die andere Seite übrigens nicht „verloren“, sondern nur neue Ansichten gewonnen — sowas ist zu begrüßen, ehrlich, und kein Grund zur Schande.

Aber der Idealfall tritt nicht immer ein: Manchmal sind Ansichten nicht miteinander vereinbar, die eine oder andere Seite nicht lernfähig, zu starrköpfig oder gar zu doof, um von der eigenen Ansicht abzurücken. An dieser Stelle bitte Obacht! Aus der eigenen Perspektive ist nicht immer klar, welche Variante für das Scheitern des Meinungsaustausches genau verantwortlich ist. Ja, es kann sogar sein, dass man selbst zu doof oder nur zu starrköpfig ist.

Daher sollte es die Höflichkeit gebieten, jetzt nicht doch noch den Hammer herauszuholen. Erklärt stattdessen, dass Ihr mit der dargebotenen Ansicht nicht einverstanden seid, und, sofern keine neuen Erkenntnisse geliefert werden, belasst es dann dabei. Geht einfach weg, macht Euer eigenes Ding weiter, und ignoriert die Mindermeinung. Geht nicht davon aus, dass die Gegenseite Euren Argumenten zugänglicher wird, nur weil ihr sie x Mal wiederholt, lauter werdet oder Eure Argumente gar in Schimpfworte kleidet.

Das funktioniert nicht.

Nochmal: Das funktioniert nicht.

Das einzige, das Ihr damit bewirkt, ist dass Ihr wie die Schulhofschläger dasteht. Wollt Ihr das wirklich? Feilt lieber an Euren Argumenten, verbessert sie, macht die Beispiele anschaulich, schaut Euch immer wieder die Argumente der Gegenseite an und widerlegt sie.

Nicht um die Gegenseite zu überzeugen, sondern um zu verhindern, dass auch Andere der Gegenseite folgen. Geht zu anderen, noch nicht überzeugten von der einen oder anderen Seite, und immunisiert sie mit Euren Argumenten. Damit wird die Mindermeinung dann, so Eure Argumente tatsächlich besser sind, schlußendlich aus dem Memepool gedrückt. Die Gegenseite selbst habt Ihr ja offensichtlich nicht überzeugen können, da ist also jedes weitere Wort vergebene Liebesmüh. Wenn Ihr da weiter die Gegenseite beackert füttert Ihr entweder nur noch Trolle, oder werdet eben selbst zu Trollen. Beides nicht unbedingt erstrebenswert, oder?

Also, nochmal zusammengefasst:

  1. Ihr seht jemanden mit einer Mindermeinung
  2. zuhören, durchlesen, verstehen.
  3. Kontrollieren, ob man die Mindermeinung wirklich verstanden hat.
  4. Gegenargumente auflisten und verstehen
  5. Vertreter der Mindermeinung sachlich und freundlich mit den Gegenargumenten konfrontieren
  6. Schleife von 2. bis 5. bis entweder ein Konsens gefunden wurde, oder die nicht-Konsensfähigkeit festgestellt wird.
  7. Andere als den Vertreter der Mindermeinung mit den Gegenargumenten memetisch immunisieren. Vertreter der Mindermeinung freundlich ignorieren.

Ist doch gar nicht so schwer, oder?

Bücherverbrennungen und so…

Vorweg etwas persönliches: Ich hab ein seltsames Verhältnis zu Büchern. Ich kann zum Beispiel keine Bücher direkt selbst vernichten. Seit gut 20 Jahren habe ich nicht ein einziges Buch verbrannt, in den Müll geworfen oder sonstwie zerstört.

Stattdessen verschenke ich sie, lasse sie via Bookcrossing irgendwo liegen oder werde sie sonstwie los. Aber sie werden nicht durch meine Hand zerstört. Das kann ich irgendwie nicht, so irrational das auch ist.

Aus dieser Warte sind mir Bücherverbrennungen auch zutiefst zuwider. Selbst wenn es sich um üble Machwerke und Haßschriften handelt.  Das bedeutet natürlich nicht, dass es in unserer Überflußgesellschaft nicht doch hin und wieder notwendig ist, überflüssiges Papier einer anderen Bestimmung als dem ewigen Aufenthalt in einem Regal zuzuführen. Das ist mir rational vollkommen klar.

Aber als Ausdruck der Verachtung? Zur Unterdrückung anderer Ansichten oder „falschen Wissens“? Nein, auf gar keinen Fall. Man. Verbrennt. Keine. Bücher. Punkt.

Jetzt aber zum eigentlichen Grund für diesen Post: Da verbrennt ein Depp auf der einen Seite der Welt ein einzelnes Buch, und auf der anderen Seite der Welt werden daraufhin Menschen umgebracht und verprügelt.

Das ist so unfassbar unglaublich, dass kann ich gar nicht richtig in Worte fassen. In den Medien wird jetzt darüber debattiert, wer denn Schuld an den Morden hatte, warum sowas passiert, was das für Auswirkungen auf die Politik haben sollte, und so weiter und so fort. Andere ereifern sich, dass man doch nun deutlich sehen können, wie barbarisch diese oder jene Religion sei, wie rücksichtslos diese oder jene Nation, und so weiter und so fort.

Ich bin jetzt sicherlich kein Religionsexperte. Aber selbst ich weiß, dass es nicht „den“ Islam gibt, genausowenig wie es „das Christentum“ gibt. Und das, was einige Spinner in einem Land treiben, dessen allgemeine kulturelle Entwicklung die Sache mit „da gibt es noch andere und vor allem andersdenkende Menschen, das darf so sein“ schlicht noch nicht verstanden hat (und hey, seien wir mal ehrlich: Wir haben das auch noch lange nicht gegrokt), hat doch nun nichts mit dem Sammelbegriff dieser oder jener Religion zu tun.

Die eine große Erkenntnis unserer Epoche sollte sein, dass es kaum noch homogene Menschengruppen größer als vielleicht 50 bis 100 Personen gibt. Wir sind vielleicht keine einzigartigen Schneeflocken, aber sobald wir auf eine größere Gruppe Menschen zeigen und denen eine Eigenschaft zuweisen, dann liegen wir mit ziemlicher Sicherheit falsch.

Leider hat sich unsere Fähigkeit, Geschehnisse auf der anderen Seite der Welt zu beeinflussen, schneller entwickelt, als unsere Bereitschaft, auch nur die Menschen in Frieden zu lassen, die nicht mal einen Bruchteil so weit entfernt sind.

Bürgerrechte, Strafverfolgungsinteresse, illegale Maßnahmen…

In meinem Teil der Buzz/Facebook/Blogosphäre machte vorgestern ein Beitrag vom Lawblog die Runde: Unsere Schönwetter-Rechte Die Kernthese? Dadurch, dass es in Deutschland kein Beweisverwertungsverbot gibt, also illegal erlangte Blutproben, Durchsuchungsbefehle und ähnliche Dinge dennoch zur Verurteilung herangezogen werden können, komme es zu einer fatalen Erosion der Bürgerrechte.

Das Ergebnis streite ich nicht ab. Auch ich bin erschrocken über die immer wieder (meiner Ansicht nach in letzter Zeit gehäuften) Meldungen über Aktionen der Staatsgewalt die jedes Maß und jegliche Rechtsgrundlage vermissen lassen, gleichzeitig aber nur negative Folgen für die Betroffenen, nicht aber für die Rechtsbeuger im Amt haben.

Die Ursache sehe ich aber woanders. Tatsächlich halte ich es schon für sinnvoll, das staatliche Strafverfolgungsinteresse hochzuhalten. Und wenn ein Beamter einen Fehler macht, wissentlich oder unwissentlich, so sollte deswegen ein schuldiger Verbrecher nicht straffrei davonkommen.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass damit der Rechtsbruch eines Polizisten, Staatsanwaltes oder nachlässigen Richters legitimiert wird. Im Gegenteil, ich sehe gerade diese Personengruppe in besonderer Verantwortung das Recht zu achten. Bei Fehlverhalten sollte also nicht das Verfahren leiden, aber mit Sicherheit derjenige der den Fehler begangen hat. Wie wäre es, wenn man an dieser Stelle rechtswidrige Aktionen so behandelt, als wären sie eben nicht von Amtsträgern begangen worden?

Aus einer nicht-legitimierten Hausdurchsuchung würde damit schwerer Einbruchdiebstahl, ja sogar bandenmäßig organisiert und bewaffnet. Natürlich muss das dann auch sauber strafrechtlich verfolgt werden, und das Opfer hat dann selbstverständlich Schadensersatzansprüche gegen die Täter.

Ich glaube, das wäre dann ein ausreichender Grund für alle Beteiligten sich vor solchen Aktionen gründlich über deren Rechtmäßigkeit Gedanken zu machen.

Rollenspiel für Nichteingeweihte — Krimidinner

Bestimmt habt Ihr schon von diesen Krimi Dinnern gehört, wo man zum Essen kommt und nebenbei noch einen Kriminalfall vorgespielt bekommt. Sowas gibt es auch zum Selbermachen, und gestern hab ich einen sehr vergnüglichen Abend mit einem Fall von KRIMI total gehabt. Aus naheliegenden Gründen verrate ich jetzt nicht, welcher Fall das war, noch welche Rolle denn der Mörder hatte.

Das Prozedere ist recht narrensicher, und der Hersteller hat eine breite Palette an Szenarios, so dass auch für jeden Geschmack was dabei ist. Das gekaufte Szenario kommt in einer Box, so ungefähr das Format einer VHS-Box. Darin sind die (angenehm kurze) Anleitung, praktische Einladungskarten, ein (versiegeltes) Einführungsheftchen für jede einzelne Rolle sowie nochmal je ein versiegeltes Heftchen pro Rolle mit zusätzlichen Informationen die dann peu a peu während des Abends dazukommen. Dank der Versiegelung bleibt es für wirklich alle Beteiligten spannend.

Die Rollen sind übrigens hervorragend untereinander verknüpft, jeder hat ein bis drei Motive für den Mord, es gibt Animositäten zuhauf und romantische wie finanzielle Verwicklungen. Viel Gelegenheit zum Rollenspiel also…

Der Abend verläuft dann in fünf Runden, am Ende der letzten Runde wird dann abgestimmt, wer als Mörder verhaftet wird. Nach jeder Runde gibt es Zwischenergebnisse aus den Polizeiermittlungen, und vor den meisten Runden erfährt man weitere pikante geheime Details zum Fall oder zu den Mitspielern. Zusätzlich gibt es noch eine Gerüchtekiste, welche die Spieler mit Informationen zweifelhafter Natur über die anderen Rollen versorgt…

Diese stückweise ans Licht kommenden Details sind übrigens Fluch und Segen gleichermaßen: Zum einen sorgen sie natürlich dafür, dass sich die Party nicht totläuft. Wie bei Hercule Poirot kommen neue Informationen zu Tage die den Verdacht woanders hinlenken, der Geschichte eine ganz neue Wendung geben, und so weiter.

Zum anderen ist es natürlich etwas irritierend, wenn man am Anfang (mangels gegenteiliger Informationen) felsenfest von etwas überzeugt ist, nur um dann zu erfahren, dass man in der Vergangenheit mit Person X ein Verhältnis hatte und daher von der Seite kompromittiert werden kann. Als klassischer Rollenspieler ist man sowas nicht mehr gewöhnt. Leute die so Kram wie Player Empowerment und so spielen kennen das natürlich, werden dann aber doch irritiert: Es werden nämlich teilweise vorher gesetzte Fakten wie „Diese Person ist Dir nicht bekannt“ durch „Doch! Du kennst XYZ aus .. hältst das aber geheim weil… !“ ersetzt.

Dennoch, für den Zweck des Krimis ist dieser Idee absolut sinnvoll. Und die überraschenden Wendungen brachten bei uns gestern definitiv Pfiff ins Spiel.

Was allerdings ein wirkliches Manko der (ansonsten übrigens sehr liebevollen) Aufmachung des Spiels ist: Man sucht sich schnell in den paar Seiten Infos tot, wenn man im Verhör gefragt wird, wo man denn zwischen Viertel nach Neun und 22:00 Uhr gewesen sei. Denn diese Angaben verstecken sich im Fließtext, und es gilt den gesamten gedachten Zeitablauf über 5 Stunden im Kopf zu behalten. Da verhaspelt man sich gerne mal. Vielleicht sollte man den Spielern zusätzlich eine leere Zeitleiste an die Hand geben, die sie dann selbst mit Angaben füllen können?

Andererseits: Unter Umständen macht das dann dem echten Mörder das Leben zu schwer. Ich war nämlich genau derjenige welcher, und hatte für die Tatzeit natürlich kein Alibi. Zum Glück fiel das nur unserer Kommissarin auf. Die anderen Mitspieler konnte ich hinreichend verwirren, so dass nach der Abstimmung nicht ich sondern ein anderer Mitspieler als Mörder feststand.

Glück gehabt…