lebe ich korrekt und lebenswert?

Am Wochenende aßen die Freundin und ich Steak. Gekauft haben wir es an der Fleischtheke des örtlichen Supermarkts Feinkost-Supermarkts. Und da wir an ordentlicher Qualität interessiert waren, kostete das (im Endeffekt vom Azubi leider etwas zu dünn geschnittene) Fleisch knapp 40 Euro das Kilo.

Wir hätten auch welches zu über 60 Euro pro Kilo ausgeben können, aber das gab der Geldbeutel dann doch nicht her.

Tatsächlich ist es so, dass man bei Fleisch noch recht gut eine Korrelation zwischen Qualität, Ethik (so man Fleischkonsum überhaupt ethisch rechtfertigen mag, aber das ist eine andere Diskussion) und Preis hinbekommt. Im Versandhandelsgeschäft schaut das schon etwas anders aus und in Sachen Kommunikationsdienstleistung (Telefon+Internet) wird es dann endgültig unmöglich gezielt nach Qualität+Ethik einzukaufen.

Geht einmal durch folgende Artikel und Kommentare und sucht nach dem gemeinsamen Nenner und den Unterschieden:

Dazu kommt, dass teilweise verflixt viel Aufwand und Recherche nötig ist um überhaupt eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können: Ist zum Beispiel ein Biohühnerei aus Bodenhaltung mit optionalen Freilauf per se „besser“ als eines aus der Legebatterie? Die Richtlinien für die Bio-Bodenhaltung sind so schwammig, dass die Hühner dort womöglich stressiger leben als in der Batterie, wenn der Landwirt jeden Cent sparen will.

An vielen Stellen hilft es sicherlich, den eigenen Konsum grundsätzlich zu hinterfragen und zurückzuschrauben. Brauche ich dieses oder jenes wirklich? Warum will ich das Ding da haben? Aber andere Sachen sind so elementar, dass man um sie nicht einfach weglassen kann, gleichzeitig aber in der Hand genau derer, die man „bekämpfen“ will.

Mir fällt leider keine wirkliche Patentlösung ein.

Krautreporter​.de

Ihr erinnert Euch an meine Ante Portas Idee? Das Ding, wo ich was von Journalismus und Crowdfunding faselte? Da ist ja nix draus geworden — zwar gab es viel positives Feedback von Leuten, die da unter Umständen Geld drauf geworfen hätten, aber eher so gar keines von Journalisten.

Umso mehr freue ich mich über Krautreporter.de, Vera Bunse hat mich darauf aufmerksam gemacht. Im Grunde ist es die gleiche Idee, aber mit einem etwas anderem Ansatz: Anstatt einer Redaktion (wie zum Beispiel bei Matter, die übrigens schon drei sehr lesenswerte Artikel veröffentlicht haben), die dann vertrauensvoll Berichte auswählt und finanziert, können die Crowdfunder hier einzelne Journalismusprojekte direkt unterstützen.

Im Endeffekt bin ich mir aber nicht so sicher, wie erfolgreich das hier werden wird: Die Journalisten müssen hier ein fachunkundiges Publikum vorab en masse überzeugen, und im Endeffekt ist Krautreporter auch nur eine weitere Crowdfunding Plattform. Auch gefällt mir von den 6 Startprojekten eigentlich nur ein einziges überhaupt irgendwie. Auch nur bedingt gefallen mir Details wie die Abwicklung von nicht zustande gekommenen Projekten:

Sollte ein Projekt nicht erfolgreich sein, erhält der Reporter kein Geld. Die versprochene Summe geht in Form von Punkten auf das Konto des Investors. Diese Punkte können dann für ein anderes Projekt verwendet werden.

Man kann zwar das Geld irgendwie über Paypal zurückbekommen, aber das scheint mir schon hakelig. Nichtsdestotrotz wünsche ich Krautreporter alles Gute!

Amazon antwortet…

Ihr erinnert Euch? Amazon als "Abzocker"?

Ich habe eine erste Antwort von Amazon erhalten:

Amazon arbeitet bei der Rekrutierung von Mitarbeitern eng mit den Trägern der örtlichen Arbeitsverwaltung zusammen und bietet auch Arbeitslosen eine Chance auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben.

Bewerber, die über die Arbeitslosenvermittlung zu uns kommen, erhalten für eine kurze Trainingszeit (maximal vier Wochen, die Dauer wird von der Agentur für Arbeit festgelegt) weiterhin ihre Bezüge von der Agentur für Arbeit, da das Training die Wiedereingliederungsaussichten in den Arbeitsmarkt verbessert. Danach werden die Mitarbeiter von Amazon bezahlt.

Allerdings hat sich für mich hier natürlich gleich ein kleiner Stapel an Rückfragen ergeben, die ich auch gleich an Amazon zurückgeschickt habe:

  1. Ist Ihnen bekannt, nach welchen Kriterien die Agentur für Arbeit die Praktikumsdauer festlegt?
  2. Müssen alle Bewerber, die Ihnen durch die Agentur für Arbeit vermittelt werden so ein Praktikum durchlaufen? Ich könnte mir vorstellen, dass es ja auch qualizifierte Bewerber gibt, die mit den Tätigkeiten schon hinreichend vertraut sind.
  3. Können besonders gute Bewerber das Praktikum abkürzen und so schneller ein vollwertiges Gehalt erhalten?
  4. Der Bericht schreibt: „Auch bei einer zukünftigen Einstellung müssen die Mitarbeiter 38,5 Stunden arbeiten bekommen aber nur 35 Stunden ausbezahlt.“ Ist dies korrekt? Mir ist bekannt, dass bei qualifizierten Fach- und Führungskräften Überstunden in der Regel als mit dem dann auch passenden Gehalt abgegolten gelten. Für Lagerarbeiten finde ich dies aber dennoch eher unpassend. Ist dies die Regel bei allen Ihren Beschäftigten? Hat der Betriebsrat dieser Regelung zugestimmt?
  5. Wie hoch ist der Prozentsatz der Praktikanten, die in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden?
  1. Wie viele davon in ein befristetes Arbeitsverhältnis?
  2. Wie viele davon in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis?

Mal schauen ob und was Amazon jetzt antwortet. Grundsätzlich sehe ich hier allerdings irgendwie mehr die „Schuld“ bei der Agentur für Arbeit, die so freigiebig Praktikumsstellen finanziert — Amazon wäre ja blöd, wenn sie das nicht nutzen würden, simple economics. Dennoch bleibt ein schlechter Nachgeschmack.

Meine Gründe gegen die Kulturflatrate

Ich hatte das ja schon im vorletzten Eintrag und den Kommentaren darin angefangen, will das aber noch ein wenig ausweiten: Ich bin ziemlich strikt gegen eine Kulturflatrate, und zwar aus diversen philosophischen und praktischen Gründen.

Praktische Gründe

Nehmen wir einmal an, eine Kulturflatrate sei politisch gewollt und soll jetzt umgesetzt werden. Geld soll nun von möglichst vielen Leuten eingesammelt und dann nach einem Schlüssel an Kulturschaffende wieder ausgeschüttet werden.

Gelder Einsammeln

Schon das Einsammeln ist nicht ganz einfach: Wenn die Flatrate zum Beispiel auf einen Internetanschluss umgelegt wird, wie geht man dann mit Anschlüssen um, die von vielen genutzt werden (Firmenanschlüsse, Leute mit offenen WLANs…)? Wie gestaltet man faire Preise für Leute die nur sporadisch das Internet nutzen, oder sich „mal eben“ im Internetcafé einloggen?

Sowas ist natürlich irgendwie juristisch regelbar, aber das wird a) kein simples Regelwerk und b) es werden genug Leute losschreien, daß gerade ihr Internetzugang doch gar nicht für so etwas gedacht oder gar geeignet sei.

Fair wäre das sicherlich nicht.

Definition Kulturschaffende

Irgendwie muss man definieren, wer sich als Kulturschaffender und potentieller Empfänger der Kulturflatrate qualifiziert. Muss man eine bestimmte Anzahl „Kunstwerke“ veröffentlicht haben? Müssen die in irgendeiner Mindestzahl verbreitet sein? Oder reicht die Aussage „ich bin Künstler?“ Welche Genres sollen mit aufgenommen werden? Musik, Literatur, Comics, Filme… wenn man hier nicht Abgrenzungen einführt, ist irgendwann jeder, der mal irgendwas im Internet veröffentlich hat „Kulturschaffender“.

Gelder ausschütten

Hier wird es jetzt richtig interessant. Befürworter der Kulturflatrate verweisen auf schon existierende Statistikdienste welche die Filesharing-Netzwerke überwachen und auswerten. Was sie übersehen, ist dass solche Dienste einen ganz anderen Anspruch an Exaktheit und Vollständigkeit haben als ein Dienst der aufgrund solcher Erkenntnisse Millionen Euro ausschütten soll. Warum ist das wichtig?

Ganz einfach: Um Missbrauch vorzubeugen. Momentan dienen die Zugriffszahlen in den Tauschbörsen des Internets nur als Indikator für den Erfolg der Werbung, eventuell der Platzierung in Hitparaden sowie der Marktforschung. Ungenauigkeit wird hier in Kauf genommen und falsche Zahlen haben keine großen Auswirkungen.

(Anders sieht es teilweise bei Diensten wie last​.fm aus, die aber auch ein walled-garden, also ein in sich abgeschlossenes System sind.)

Bei einer Kulturflatrate sind solche Zahlen aber im wahrsten Sinne Geld wert. Ein hoher Downloadrang ist gleichbedeutend mit einer hohen Gewinnausschüttung. Dadurch ist der Anreiz mal eben über ein Bot-Net das eigene Lied massenhaft herunterzuladen enorm groß. Ganz neue Betrugsmodelle rund ums Rickrolling werden entstehen. Vertreter der Kulturschaffenden werden dann nach mehr Überwachung des Internets und Regulierung der Tauschbörsen rufen, und wollten wir das nicht gerade loswerden?

Ganz abgesehen davon: Die Meßverfahren müssten quasi halbjährlich komplett neu evaluiert und neu entwickelt werden, um stets den aktuellen Stand der Technik abzubilden und auch keine Vertriebskanäle zu verpassen.

Vom Kopfschmerz Musikschnippsel innerhalb von Videos zu entdecken, ungewöhnlich codierte oder benannte mp3-Dateien den richtigen Interpreten zuzuordnen und ähnlichen Verwaltungsaufwand mal ganz abgesehen.

Philosophische Gründe

Klingt jetzt vielleicht etwas hochtrabend, aber ich habe eben auch ganz grundsätzliche Gründe gegen eine Kulturflatrate.

Kein Opt-Out

Wozu brauche ich ein Opt-Out, soll das nicht eine Solidargemeinschaft sein? Mein Problem ist, dass durch so eine Kulturflatrate jährlich ein fester Millionen‑, wenn nicht sogar Milliardenbetrag  eingesammelt und ausgeschüttet wird, komplett unabhängig davon, ob die damit geförderten Werke nun konsumiert worden sind oder nicht. Die digitalen Kopien dieser Werke stehen damit nicht mehr im finanziellen Wettbewerb mit anderen Methoden sie zu konsumieren.

Momentan kann ich entscheiden ob ich 30 Euro für ein bis zwei CDs, Downloads im iTunes Shop oder eine Konzertkarte ausgebe. Vielleicht gehe ich stattdessen ins Kino oder schick essen, oder spare das Geld. Wichtig ist, dass ich die Entscheidungsfreiheit habe, wofür ich mein Geld ausgebe. Wenn die gesamte Musikindustrie nur noch Mist produziert, brauche ich den nicht zu bezahlen.

Führen wir eine Kulturflatrate ein, bekommen die Schaffenden immer Geld, egal ob ihre Werke der Mehrheit der Bevölkerung gefallen oder nicht. Sie müssen nur eine Mehrheit der getauschten Dateien darstellen, was leider nichts über die Qualität der Inhalte oder dem Wohlwollen der Konsumenten aussagt. Und die herunterladenden Personen sind noch lange nicht ein repräsentativer Ausschnitt der Gesamtbevölkerung.

Dadurch werden die vollkommen falschen Anreize ausgegeben, schlimmer noch als es im derzeitigen Modell der Fall ist.